Protokoll:

 

Das Projekt zur Gestaltung von „Orten der Erinnerung“ besteht seit 2006 und hat inzwischen konkrete Formen angenommen. Finanzielle Unterstützung erhält dieses Projekt durch eine Förderung seitens des LEADER-Programmes sowie verschiedener Stiftungen, darunter die Gedenkstättenstiftung des Landes Niedersachsen und dem Landkreis Friesland. Erinnerungsorte haben stets eine besondere Aura. Gedenksteine oder -tafeln erzeugen oft über Jahrhunderte ihre Wirkung. Dabei sind Erinnerungsorte zunächst nicht auf eine bestimmte Zeitstellung oder Thematik beschränkt. Sie sind für das Gedenken an politische Willkür und Unrecht eine Chance zur Vermittlung, wenn an den realen Orten ein Hinweis erfolgt und so ein unmittelbarer Zugang zum Geschehen und betroffenen Menschen hergestellt werden kann. Nachdem zunächst nationale Erinnerungsorte beschrieben worden sind, richtet sich nun das Augenmerk auf die regionale und Landesgeschichte. Mit dem Vorhaben der „Orte der Erinnerung“ im Landkreis Friesland sollen auch hier Erinnerungsorte geschaffen werden. Da die Generation der Zeitzeugen und deren Kinder aussterben, können bald nur noch die Orte direktes und unmittelbares, anschauliches und begreifbares Zeugnis des erlittenen Unrechts geben. Auch für Hinterbliebene sind die Orte des Geschehens wichtig für Begegnungen. Frau Dr. Sander hebt die große Bedeutung der Erinnerungskultur für die Allgemeinheit hervor. Damit soll auch schwindendem Interesse an vergangenem Unrecht und mangelnden Geschichtskenntnissen entgegengewirkt werden. An dem Projekt „Orte der Erinnerung“ sollen Heimatverein, Geschichtswerkstätten und Heimatforscher mitarbeiten. Die Recherche vor Ort und die Aufarbeitung von Einzelschicksalen ist wichtig und kann auch als Schulprojekt formuliert werden. Im Landkreis Friesland würden sich Orte anbieten, die jüdisches Leben und Kultur sowie deren Zerstörung in den Jahren 1933 bis 1945 dokumentieren. Es sind die Synagogen in Jever und Varel und die noch bestehende Synagoge in Neustadtgödens. Aber auch die jüdischen Friedhöfe in Varel, Schortens, Gödens und Jever sowie das jüdische Altersstift in der Vareler Schüttingstraße bieten sich als „Orte der Erinnerung“ an. Ebenso ist an die Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen zu erinnern, die nun mit einem Gedenkort an der Mühlenstraße in Neuenburg erfolgen soll. Die Kriegsgefangenen, die in etwa 20 Arbeitskommandos unterteilt waren, waren vorwiegend im Straßenbau, im Befestigungsbau in Wilhelmshaven und in der Landwirtschaft eingesetzt. Zu gedenken ist dabei auch an das Krankenhaus Sanderbusch oder das Waisenstift in Varel, wo Menschen dem sog. Euthanasieprogramm zum Opfer fielen oder als asoziale besonders gefährdet waren. Die Opfergruppe der „Politisch Verfolgten“ im Landkreis Friesland bildet immer noch ein Forschungsdesiderat. Hierzu zählen Namen wie Adolf Heidenreich aus Varel oder Fritz Frerichs aus Zetel, sowie der Vorsitzende der Vareler kommunistischen Partei Felix Kirsten. Ebenso sind Angehörige der bekennenden Kirchen und Kriegsdienstverweigerer Opfer von Verfolgung und Gewalt geworden. Die Schicksale müssen weiter dokumentiert werden. Umfangreicheres Material, deren Quellen leicht zugänglich für jedermann verfügbar sein müssen, sind zu entwickeln. So kann sich die Möglichkeit entwickeln, dass Lehrkräfte Informationen zu diesem Thema im Internet finden oder Boxen mit entsprechendem Lehrmaterial bereitgestellt werden, um Schulprojekte gestalten zu können. Wichtig ist die Anregung eines eigenen Meinungsbildes über derartige Orte. Die Orte sollen mit Stelen oder Tafeln versehen werden, denen der Hinweis auf geschehenes Unrecht zu entnehmen ist. In 2018 soll an der Wehdestraße der Familie Frank gedacht werden, die am 03.03.1945 verschleppt wurde. Frau Dr. Sander ruft dazu auf, den „Orten der Erinnerung“ auch in Zetel positiv gegenüber zu stehen und betont das besonders ambitionierte Vorhaben dieser Art.

 

Ratsvorsitzender Pauluschke führt aus, das über dieses Thema im Rat bereits sehr intensiv diskutiert wurde. Der Rat ist sich der Ernsthaftigkeit dieses Themas durchaus bewusst. Ratsmitglied Bitter erinnert an eine frühere Projektwoche in der Realschule Zetel zu dem Schicksal der Familie Frank. Er ruft dazu auf, die sicherlich noch vorhandenen Unterlagen als Lehrmaterial zu verwenden und darauf den Unterricht aufzubauen. Frau Dr. Sander weiß, dass es viele Initiativen in dieser Richtung gibt, die aber bislang nicht gebündelt sind. Sie sollten vernetzt werden, so dass sich auch die Möglichkeit bietet, dass sich die Gruppen, die sich mit diesen Themen befassen, austauschen können. Orte der Erinnerung sind zu bewahren und entsprechend zu kennzeichnen. Sie warnt nochmals davor, dass es bald keine Zeitzeugen mehr geben wird. Ratsvorsitzender Pauluschke wiederholt, dass sich der Rat bereits 2008/2009 mit dem Thema befasst hat und sich für eine Lösung entschieden hat, indem an den Friedensgärten dieser Unrechte erinnert wird. Die Gemeinde Zetel hat seinerzeit als erste dieses Thema aufgegriffen und umgesetzt. Bürgermeister Lauxtermann ergänzt, dass in den Gedenktafeln alle gesellschaftlichen Gruppen vertreten sind. Der Rat hat auch bereits der Errichtung eines Erinnerungsmals für die Zwangsarbeiter an der Mühlenstraße zugestimmt. Auch der Familie Frank/Schwarz wurde im Neubaugebiet mit der Benennung einer Straße gedacht. Persönlich steht er dem Projekt positiv gegenüber und ruft dazu auf, dieses zu unterstützen. Ratsvorsitzender Pauluschke führt aus, dass die Gemeinde Zetel bislang die Auffassung vertreten hat, bei der bislang festgelegten Art des Gedenkens zu verbleiben, indem auf die Tafeln in den Friedensgärten verwiesen wird. Ggfls. könnte diese Haltung jetzt überdacht werden. Es handelt sich dabei um eine breit angelegte Diskussion, wobei sich jetzt die Alternative anbietet, beim bisherigen Verfahren zum Gedenken zu verbleiben oder einzelne Orte zu kennzeichnen. Für die Fraktion „Bündnis90/Die Grünen“ äußert Beigeordneter Wilken, dass die Vorstellung von Frau Dr. Sander sehr beeindruckend gewesen ist. Er würde sich freuen, wenn das Projekt des Landkreises Friesland in Zetel unterstützt und umgesetzt würde. Bürgermeister Lauxtermann ergänzt, dass der Landkreis Friesland auch in der Gemeinde Zetel auf eigenen Flächen „Orte der Erinnerung“ mit Stelen oder Tafeln kennzeichnen kann. Einer Genehmigung der Gemeinde Zetel bedarf es dafür nicht. Er ruft aber nochmals dazu auf, dieses Projekt zu unterstützen. Frau Dr. Sander führt ergänzend aus, dass zwar alle Orte einzeln gekennzeichnet werden, diese aber als Gesamtes zu sehen sind und daher auch in eine Landkarte zu übernehmen wären. Damit könnten alle Orte im Landkreis Friesland zielgerichtet angefahren werden. Beigeordneter Meyer hält dem entgegen, dass die Gemeinde Zetel bereits vor ca. 10 Jahren eine Gedenkkultur entwickelt hat. Dieses wird leider in der Öffentlichkeit nicht ausreichend gewürdigt, so dass sich die Frage stellt, wie die Art des Umganges mit dem Gedenken an Opfer der Verfolgung und Unterdrückung bekanntgemacht werden kann. Die aufgestellten Glastafeln, die bislang dem Gedenken dienen, sind allumfassend gehalten. So werden keine Gruppen vergessen oder ausgeschlossen. Er verweist auf die „Anton-Franz-Straße“ und die „Fritz-Frerichs-Straße“, die als Orte der Erinnerung durchaus gewollt waren. Ratsmitglied Brauers ruft dazu auf, da dieses Erinnerungsprogramm über ganz Friesland verteilt ist, auch in Zetel teilzunehmen. Frau Dr. Sander erklärt, dass die bislang in Zetel aktuelle Gedenkkultur vor Ort durchaus erhalten bleibt und sich auch auf hoher Basis bewegt. Dieses stellt den „Zeteler Weg“ der Gedenkkultur“ dar. Die „Orte der Erinnerung“ sind keine Mahnmale, sondern sollen über Tafeln oder Stelen Informationen über das an dem jeweiligen Platz ausgeübte Unrecht geben. Ein Mahnmal hingegen wäre unabhängig von dem Ort des Geschehens. Sie kann sich durchaus beide Formen der Gedenkkultur nebeneinander vorstellen. Ratsmitglied S. Janssen betont, dass es wichtig ist, sich überhaupt an die ausgeübten Verbrechen zu erinnern. Er sieht keinen Widerspruch in der Aufstellung der Stelen oder Tafeln an „Orten der Erinnerung“ neben den bereits in Zetel bestehenden Glastafeln in den Friedensgärten. Die vernetzten „Orte der Erinnerung“ können auch in ein Geo-Cachings überführt werden und sprechen dann besonders junge Leute an. Es ist für ihn fraglich, ob es richtig ist, stets an alten Beschlüssen festzuhalten, wenn sich, wie im vorliegenden Fall, in der Gedenkkultur neue Möglichkeiten ergeben.